Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung im E-Learning am Beispiel von Orthografietrainer.net
Dr. Hans G. Müller: Universität Potsdam
Vortrag am Donnerstag, 17:30 Uhr
Automatische Leistungsdifferenzierung, also die Möglichkeit, Lernenden programmgesteuert individuell angepasstes Arbeitsmaterial zu präsentieren und ihren Lernfortschritt zu dokumentieren, ist eine der großen, aber bisher weitgehend ungenutzten Chancen des E-Learnings. Das liegt nicht am Fehlen entsprechender Methoden, sondern an einem noch zu geringen Engagement zur praktischen Umsetzung. Schließlich müssen für eine qualifizierte Leistungsdifferenzierung sowohl Art als auch Höhe der Kompetenzen jedes Benutzers sowie seine individuellen Defizite ermittelt werden. Dem dafür notwendigen hohen Programmieraufwand stehen auf der anderen Seite nicht nur massive Entlastungen des Arbeitsaufwandes für Lehrkräfte gegenüber, sondern auch aufschlussreiche Erkenntnisse über Lernwege und -prozesse im jeweiligen Lernbereich. Darüber hinaus entstehen Datenbestände von hoher didaktischer Relevanz.
Am Beispiel der Plattform Orthografietrainer.net zeigt dieser Vortrag, wie durch Kombination fachdidaktischer Theorien und moderner statistischer Methoden (IRT) vollautomatisch individuell angepasste Lernwege generiert werden können, die Über- und Unterforderung beim Lernen vermeiden helfen und anhand derer Lernende wie Lehrende den Kompetenzzuwachs jederzeit einschätzen können. Die dabei entstehende Datenbank bildet zugleich die Grundlage eines sich selbst immer weiter verfeinernden Messinstruments zur orthografischen Kompetenzbestimmung sowie die Basis zu eingehenden fachdidaktischen Untersuchungen auf statistischer Grundlage. Dadurch ergeben sich nicht nur für die Unterrichtsgestaltung und die Leistungsmessung, sondern auch für die empirische Bildungsforschung neue Möglichkeiten, die einen direkten Einfluss auf die fachdidaktische Theoriebildung erlangen können, etwa durch die statistische Testung konkurrierender didaktischer Hypothesen.
Die Anwendung testtheoretischer Methoden der Leistungsmessung im E-Learning gewinnt damit in doppelter Weise Einfluss auf die Qualitätsentwicklung des Lernangebots: Sie ermöglicht eine automatische Binnendifferenzierung in der Unterrichtspraxis und stellt gleichzeitig relevantes Datenmaterial für die didaktische Theoriebildung zur Verfügung.